Ich bin dick, aber bin ich deshalb anders?

April 05, 2014 Marie-Luis Rönisch 4 Comments

Wer kennt das nicht? Man geht über die Straße, durch eine scheinbar perfekte Welt. Die Menschen um einen herum, starren dich an, tuscheln, weil das Eis in deinen Fingern deine Lippen benetzt und der süße Geschmack dich für einen Moment glücklich macht. Danach vernimmst du ihre Beleidigungen, die sie gewollt laut genug formulieren, um dich inne halten zu sehen und dein Zögern zu bewerten.
„Die frisst sicher immer Eis, deshalb ist sie auch so fett“, schimpfen sie und mischen sich in dein Leben ein, obwohl sie nicht das Geringste damit zu tun haben. Verschämt ziehst du dich aus der Welt zurück, beginnst dein Eis zu Hause zu konsumieren, still und einsam, damit es keiner sieht. Du fragst dich, wie dich die Menschen einfach abstempeln können, ohne den Grund für dein Übergewicht zu kennen oder dich als Person überhaupt wahrzunehmen.
Unsere Gesellschaft ist nicht bereit, für Menschen die anders sind. Wir sind besonders, durch unsere Eigenschaften, unsere Talente, unser Aussehen. Passen wir uns nicht an die verkorksten Schönheitsideale an, müssen wir unter dem Zorn der Anderen leiden, denn ein Schwimmen gegen den Strom ist in der heutigen Zeit verboten.
Der Streit und somit der Kampf ums Überleben beginnt bereits in der Schule und zieht sich durch unser ganzes Leben. Wer glaubt dem Mobbing nach der Schulzeit endlich entkommen zu sein und aufatmet, sollte sich hüten, denn auch die Suche nach einer Arbeitsstelle fordert mehr als nur Intelligenz und Qualifikation. So ist es keinesfalls neu, dass hübsche, attraktive Menschen mit einer besseren Ausstrahlung, eher ausgewählt werden, als das schüchterne Mauerblümchen, das zurückhaltend seine schwarze Brille hin und her schiebt. Man könnte es tatsächlich einen Fluch schimpfen, dass die Menschen uns nicht so betrachten wie wir sind, sondern so wie uns die Natur geschaffen hat. Das Aussehen wird über die Moral gestellt, über das Herz, über den Verstand. Die Medien beeinflussen uns genau in diese Richtung, indem sie uns die Schönheitsideale von Magermodels und TV – Stars anpreisen. Aber warum tun wir uns selbst diesen Stress an? Wieso gibt es nicht einen solchen Spiegel, der die innere Schönheit zeigt und das Äußere verblassen lässt? Hat Jack Black in dem Film „Schwer Verliebt“ uns denn wirklich nichts mit auf den Weg gegeben, oder wollen wir es uns nicht eingestehen, dass auch dicke Menschen ein Herz haben? Wie diese Leute unter dem Druck der Gesellschaft leiden und unter den Mobbingattacken der Klassenkameraden zerbrechen, scheint uns nicht zu beschäftigen. Das sie sich auf Arbeit quälen, wenn man sie doch anders betrachtet, als sie wirklich sind. Keinen interessieren ihre Gefühle, man tritt kräftig nach, wenn sie man Boden liegen, denn mit den zusätzlichen Pfunden, schaffen sie es ja doch nicht, sich von allein aufzurichten.
Würdet ihr also auf der Erde liegen, von Trauer überwältigt, würdet ihr euch nicht nach einer helfenden Hand sehnen? Einem Menschen, der in euch das erkennt, was ihr seid, euch so behandelt, wie ihr es verdient. Die meisten dicken Menschen sind gesellig, ruhig und freundlich. Sie lieben Kinder, Tiere, Kochen und den winzigen Raum, in dem sie sich einschließen, um der Gesellschaft zu entkommen. Durch eure Ignoranz für das Offensichtliche verschlimmert ihr nur ihre Situation. Statt dass ihr diese Menschen unterstützt, ihnen den Alltag erleichtert und sie gleich behandelt, drängt ihr sie zurück. Wie kann ein Mensch abnehmen, wenn er sich vor euch verstecken muss? Wie, wenn er sogar Schuldgefühle bekommt, weil er sich im Monat ein einziges Eis gönnt, während schlanke Menschen jeden Tag eines verzehren? Wie, wenn ihr ihn mit euren vorwurfsvollen Blicken durchbohrt?
Es ist wie es ist. Dicke Menschen werden wie Aussätzige behandelt und müssen leiden. Die Entwicklung der Menschheit scheint noch lange nicht dort angekommen zu sein, wo Gleichheit tatsächlich als Lebensweisheit gilt! Scheinbar kennen viele deren Bedeutung nicht und verhalten sich dementsprechend unwissend.
Versucht euch in eine solche Person hineinzuversetzen, sprecht sie freundlich an. Macht ihr Mut, drängt sie nicht zurück oder beleidigt sie! Mit etwas Hilfe durch ein paar wenige Menschen, die offen durch ihr Leben schreiten, könntet ihr einer Person helfen alles zu verändern. Ihr könnt deren Antrieb sein, sie unterstützen. Greift ihr freundlich unter die Arme, wenn sie es zulässt und nötigt sie zu nichts, was sie nicht von selbst tun möchte. Starrt die Dicken nicht an, als wären sie ein Schimpanse im Zoo, der sich an einer Banane vergreift! Auch sie haben Gelüste. Auch ihnen verlangt es einmal nach einer süßen Sünde, einem ordentlichen Mittag. Ich persönlich finde es eine Lüge, wenn ich eine dicke Person in einem Restaurant mit nichts weiter als einem Kindersalat sitzen sehe. Dann kann man förmlich spüren, wie unzufrieden er oder sie ist. Aber die Gesellschaft erweckt gerade dieses Scheinbild: Wenn ich mich mit Salat präsentiere, lassen sie mich vielleicht in Ruhe. Aber auch nur vielleicht.
 
Ich spreche dieses Thema an, weil ich eine Gleichgesinnte bin. Seit Jahren kämpfe ich mit meinem Gewicht. Ich habe bereits eine 6 wöchige Kur, mehrere Diäten und Fitnessaufenthalte hinter mir. Nichts hat langfristig geholfen. Der Jojo Effekt brachte Hass und Wut mit sich, die man in Trauer ertränkte. Ich bin weiß Gott kein Vielfraß, der sich an jeder Pizza und jedem Muffin vergreift, der mir in die Hände fällt. Im Gegenteil, meine Ernährung ist nicht mein Problem, es ist die Bewegung. Durch das Stundenlange Sitzen in der Schule / in der Uni hat man keine Zeit sich zu betätigen. Man muss Einkaufen, den Haushalt schmeißen und Freunden und den Hobbies nachkommen. Der Frust ist natürlich groß, wenn die Wage sich zum negativen verändert und man sie irgendwann meidet wie einen Erzfeind. Mit Metabolic habe ich es geschafft 15 Kilo abzunehmen. Allerdings war das in einer Zeit, wo ich regelmäßig 2-3 Mal die Woche Sport gemacht habe. Mittlerweile sind die Pfunde an ihre Lieblingsstellen zurückgekehrt und wie wäre es anders, der Sommer steht erneut vor der Tür. Die Badesaison beginnt in einem Monat und bereits jetzt habe ich Komplexe, den Weg bis zu einem Freibad in Angriff zu nehmen. Ich ertrage die Blicke der Badegäste nicht, der Jugendlichen und der Frauen. Ich bin kein Stück Fleisch und kein Tier, ich bin ein Mensch mit Gefühlen!
 
Ich verlange nicht viel und habe auch keine großen Wünsche. Ich bitte euch, nur um einige, wenige Dinge:
 
Lacht nicht über mich, sondern mit mir.
Sprecht mich an und motiviert mich, ohne mich zurückzudrängen.
Helft mir die Hürde des Sportes zu meistern und streut keine Zweifel.
Lernt mich kennen und stempelt mich nicht als eine Fremde, unbeliebte, dicke Person ab!
 
Vielen Dank fürs Zuhören.

Mein Motto: Man kann niemals genug Bücher besitzen.